Zeit Online (Duitsland), 4 jan. 2012: ‘Niederländische Grenzkontrollen alarmieren Datenschützer’
“Hightech-Kameras an der niederländischen Grenze sollen einreisende Autofahrer filmen. Die Regierung in Den Haag sieht darin kein Problem.
Deutschen Holland-Touristen kann es demnächst passieren, dass ihr erstes Urlaubsfoto von der niederländischen Grenzpolizei geschossen wird. Automatisch und mit einer Hightech-Kamera. An den fünfzehn meist frequentierten Grenzübergängen der Niederlande sollen diese zum Einsatz kommen. Fünf davon an der Grenze zu Belgien, zehn an der zu Deutschland, dazu kommen sechs mobile Kameras.
Noch befindet sich das Projekt in der Pilotphase. Nach Auskunft der niederländischen Grenzpolizei soll es im Februar oder März starten. Die Regierung in Den Haag begründet diesen Schritt mit der Kriminalitätsbekämpfung, es ginge um “illegale Einreise in Zusammenhang mit Menschenschmuggel, Menschenhandel, Identitätsbetrug und Geldwäsche”.
Das System heißt “@migo-boras” und basiert auf einem System zur Nummernschilderkennung, das sich ANPR (automatic number plate recognition) nennt. Abgelichtet werden die Vorderseite und das Nummernschild der Fahrzeuge. Laut Immigrationsminister Gerd Leers ermögliche dies die Aufzeichnung von “Verkehrsmustern”, die “auf Basis allgemeiner Daten und Zielgruppenprofilen melden, welches Fahrzeug für eine Kontrolle interessant sein kann”. Die gewonnenen Informationen würden umgehend der Grenzpolizei übermittelt, die dann das entsprechende Auto anhalten kann.
EU-Kommission wartet auf Stellungnahme aus Den Haag
Niederländische Datenschützer sind über das Vorhaben besorgt. Die Stiftung Privacy First spricht von einem “enormem Eingriff in die Privatsphäre”. Alle Fahrzeuge zu kontrollieren, um bei einem etwas Verdächtiges zu finden, sei eine “Umkehrung des Rechtssystems”. Die Datenschutz-Website sargasso.nl befürchtet, die Grenzpolizei habe damit zumindest die Möglichkeit, einreisende Autos gleichzeitig mit “allerlei schwarzen Listen” abzugleichen. Eben dies verneint Immigrationsminister Leers entschieden. Ebenso wenig würden die gewonnenen Informationen gespeichert, immerhin gesteht er ein: “Wohl können die Kameras anhand des Kennzeichens sehen, aus welchem Land ein Auto oder LKW kommt.”
So vage diese Argumentation, so spärlich ist die Informationspolitik der Regierung in Sachen Grenzkameras. Fakt ist immerhin, dass zu kurz denkt, wer hier nur die Handschrift der von den Rechtspopulisten abhängigen konservativen Minderheitskoalition zu erkennen glaubt. Seit Jahren schon wird an dem System getüftelt, und bereits 2005 gab es einen ersten Probelauf. Die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Rutte zeichnet sich indes für eine weitere Maßnahme verantwortlich: Sie will Kennzeichen, die von Autobahnkameras im Landesinneren routinemäßig ermittelt wurden, vier Wochen lang speichern. Privacy-Aktivisten befürchten, dass dieser Ansatz auch auf die Bilder der Grenzkameras ausgedehnt wird.
Im Herbst begann sich auch die EU-Kommission für den Fall zu interessieren. Nachdem Deutschland aus Sorge um den freien Verkehr zwischen den Mitgliedsstaaten in Brüssel eine Klage eingereicht hatte, wandte sich EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mit der Bitte um mehr Informationen an die Regierung in Den Haag. Bisher, so Malmströms Sprecher Michele Cercone zu ZEIT ONLINE, warte man auf eine Antwort. Das weitere Vorgehen der Kommission hänge davon ab, wie diese ausfalle.
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Unklar ist bislang, warum die Testphase des Projekts nun verlängert wurde. Noch im Herbst sollte der Startschuss für @migo-boras am 1. Januar erfolgen. Leers’ Sprecher Sander van der Eijk machte “operationelle Gründe” für den Aufschub verantwortlich. Mit dem Schreiben der EU-Kommission jedenfalls habe dieser nichts zu tun.”
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