ARD Tagesschau.de (Duitsland), 1 jan. 2012: ‘Überwachung an niederländischen Grenzen – Der holländische "@migo-Boras"’

George Orwells Vision von Big Brother wird an niederländischen Grenzübergängen Realität. Dort filmen Kameras den Einreiseverkehr aus Belgien und Deutschland. Das Vorhaben ist umstritten. Kritiker sehen sogar einen Verstoß gegen das Schengen-Abkommen.

Sie hängen unauffällig neben den großformatigen Verkehrsschildern oberhalb der Fahrbahn: Dutzende dieser fest installierten Kameras überwachen nun den Einreiseverkehr in die Niederlande an insgesamt 15 Grenzübergängen. 

Daneben haben die Grenzschützer der Königlichen Marechaussee sechs Fahrzeuge mit mobilen Kameras im Einsatz. Die schon seit 2004 erprobte Überwachungstechnik hat den kuriosen Doppelnamen “@migo-Boras”.

Nicht nur diese Bezeichnung sorgt bei deutschen Grenzbewohnern am Niederrhein für Irritationen: “Kenne ich nicht, nein!”, sagt einer. Und ein anderer hat immerhin davon in der Zeitung gelesen, aber er finde “@migo-Boras” nicht so toll. Die Überwachung gehe “in die Privatsphäre – das find ich nicht gut”.

Menschenschmuggler aus dem Verkehr zu ziehen

Martijn Peelen, Sprecher der Königlichen Marechaussee, teilte nur schriftlich mit, “@migo-Boras” solle vor allem helfen, Menschenschmuggler aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu würden die Kameras die Fahrzeuge von vorne erfassen, so dass Nummernschild, Fahrer und Beifahrer abgefilmt werden. Die Aufnahmen würden dann mit bestimmten Daten abgeglichen. So würde das System beispielsweise bei Kleintransportern aus dem Balkanraum Alarm schlagen. Erfahrungsgemäß würden damit auch schon mal illegale Prostituierte ins Land gebracht. Nur in solchen Fällen würden Beamte dann auch ein Fahrzeug stoppen und kontrollieren.

Eine Grenzbewohnerin, die häufig zum Einkauf nach Holland fährt, stören die Kameras daher überhaupt nicht. Wenn man ein reines Gewissen hat, sei das kein Problem, meint sie. Eher skeptisch dagegen ist Jörg Langenmeyer, Bürgermeister der niederrheinischen Grenzstadt Straelen – nahe Venlo. Er finde es “einfach schade”, aber man könne noch gespannt sein, ob das Projekt denn wirklich so eingeführt werde. Er meint, die Europäische Kommission wolle noch einige Informationen von der niederländischen Regierung haben, wie die Überwachung in der Praxis überhaupt stattfinden solle.

Verstoß gegen Schengen-Abkommen?

In der Tat sind noch viele Fragen offen: Insbesondere ob und wie lange die Kameraaufnahmen gespeichert werden. Kritiker verweisen auch auf das Schengen-Abkommen, das allgemeine Grenzkontrollen nicht vorsieht. Die niederländische Regierung sagt dazu, die Kameras sollen nicht ständig laufen und nur stundenweise eingeschaltet werden, um die Sichtkontrollen der Grenzschützer zu unterstützen.

Dennoch kommt Protest auch aus den Niederlanden, etwa von der Organisation Privacy First, die sich gegen einen Überwachungsstaat wendet. Der Vorsitzende von Privacy First, Bas Filippini, spricht von einem generellen Profiling, das zunächst jeden Einreisenden erfassen müsse. Außerdem bezweifelt er die Wirksamkeit von “@migo-Boras”. Man wolle nur Menschenschmuggler aufspüren, sagt er, aber “da sitzen zwei Leute vorne, hinter ihnen vielleicht die illegalen Personen. Aber die kann man sowieso nicht sehen.” Irgendwann, so befürchtet es Filippini, kontrolliere das System dann alle Fahrzeuge. “Es mündet in behördliche Willkür. Wir von Privacy First wollen uns unbeobachtet bewegen. Wir brauchen keinen ‘@migo’. Freunde suche ich mir selbst.” Filippini meint, das Ganze erscheine wie ein militärisches Projekt. Es sei schon merkwürdig, dass die Regierung dies einfach mal so einführe.

Wohl auch deswegen, will die niederländische Regierung erst einmal die Testphase bis Februar oder März verlängern.

Wohl auch deswegen, will die niederländische Regierung erst einmal die Testphase bis Februar oder März verlängern. (…)”

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